Saturday, September 19, 2020 - 13:25German

 

Carl-August Seibel 

Vorsitzender 

Bundesverband der Schuh- und Lederwarenindustrie e. V. 

• Coronabedingter Umsatzeinbruch der deutschen Schuhindustrie im ersten Halbjahr 2020 

• Beschäftigung bleibt noch stabil 

• Weitere Belastungen vermeiden / Innenstädte stärken 

Umsatzeinbruch der deutschen Schuhindustrie im ersten Halbjahr 2020 

Nach einem verheißungsvollen Jahresbeginn brach der Umsatz der deutschen Schuhindustrie mit dem verhängten Lockdown des stationären Fachhandels regelrecht ein. Im Vergleich zum Vorjahreszeitraum sank der Umsatz auf 1,28 Milliarden Euro. Das ist ein Umsatzminus von 21,0 Prozent. Im Inland lag der Umsatzrückgang sogar bei 22,5 Prozent im Vergleich zum Umsatz des ersten Halbjahres 2019. 

Erfreulicherweise hat sich diese Umsatzentwicklung aber noch nicht auf die Beschäftigungssituation in der deutschen Schuhindustrie ausgewirkt. Im ersten Halbjahr 2020 konnten die deutschen Schuhhersteller die Beschäftigung stabil halten. Die Branche beschäftigte im ersten Halbjahr 15.600 Mitarbeiter. Dies entspricht im Vergleich zum Vorjahreszeitraum einen Anstieg von 0,7 Prozent. Die qualifizierten Mitarbeiter werden auch in einer Krisenphase soweit möglich gehalten. Dazu haben sicherlich ganz wesentlich die von der Bundesregierung erweiterten Möglichkeiten zur Kurzarbeit beigetragen. Diese Regelungen gelten zunächst befristet bis zum 31. Dezember 2020. Eine Verlängerung wird diskutiert und von der deutschen Schuhindustrie begrüßt. 

Coronakrise 

Die größten Herausforderungen für die Schuhbranche liegen derzeit in der durch die Coronakrise verursachten Unsicherheit, in Bezug auf den weiteren Verlauf der Infektionszahlen, in Bezug auf Dauer der Krise und auf die noch notwendigen Maßnahmen auf nationaler und internationaler Ebene. Dies hat sowohl auf die Investitionsentscheidungen, auf die Gestaltung der Lieferkette, auf die zu erwartende Nachfrage und letztlich auf die Planung von Personal und Produktion erhebliche Auswirkungen. 

Dass mitten in der größten Wirtschaftskrise der Nachkriegszeit weltweit die Bundesregierung an dem sogenannten Lieferkettengesetz unbeirrt festhält, ist mehr als unverständlich. Die deutsche Modeindustrie fordert, dass es keine zusätzlichen Belastungen für die Industrie geben darf, um die erhoffte und von allen angestrebte schnelle Erholung der Wirtschaft zu erreichen. Um das klarzustellen: Auch die deutsche Schuh-industrie ist uneingeschränkt für die Einhaltung der Menschenrechte. Die Frage aber ist, ob es der deutsche Mittelständler in seinen Händen hat, dieses Ziel auf der ganzen Welt durchzusetzen, und zwar nicht nur bei seinen direkten Vertragspartnern, sondern auch bei dessen mitunter zahllosen Zulieferern. Was die Regierungen nicht schaffen, wie die jüngsten Beispiele Weißrussland, Hongkong, Iran oder Saudi-Arabien zeigen, sollen die Unternehmer sicherstellen. Und bei Verstößen haften. Hinzu kommt, dass es ein nationaler Alleingang ist. Wenn es eine gesetzliche Regelung geben soll, muss diese zumindest auf europäischer Ebene gelten. 

Aus Sicht der deutschen Textil-, Schuh- und Modeindustrie bestraft ein solches Lieferkettengesetz ausgerechnet die Unternehmen, die weltweit an der Spitze stehen, wenn es um Sozial- und Umweltstandards geht. Die deutsche Schuhindustrie produziert nach weltweit höchsten Umwelt- und Sozialstandards, sie achtet die Menschenrechte und engagiert sich gegen Kinderarbeit. Dafür bürgen viele Marken mit ihrem Namen und investieren viel. 

Nur gemeinsam werden wir aus der Coronakrise kommen, das gilt in ganz besonderer Weise für die globale Lieferkette. Mit einem wettbewerbsverzerrenden, mittelstandsfeindlichen Gesetz, das Unternehmen belastet, ohne die wirklichen Probleme zu lösen, schaffen wir das nicht. 

Während der digitale Einzelhandel von der Krise eher noch profitiert hat, wurde der ohnehin unter Druck stehende stationäre Einzelhandel von den angeordneten Ladenschließungen und den Beschränkungen der Coronakrise hart getroffen. Wir begrüßen die verschiedenen Initiativen zur Stärkung der Innenstädte und des stationären Fachhandels. Die Möglichkeiten für die Branche durch Zusammenarbeit voranzukommen, zeigt sich z. B. in der gemeinsamen Empfehlung von Verbundgruppen und HDS/L zur Verschiebung der Saison- Rhythmen und in den aktuellen Entwicklungen im ECC. In einem Schulterschluss einigten sich Handel und Industrie auf die ECC-Branchenlösung zum Daten-Clearing und zur gemeinsamen Content-Plattform. Die beiden großen Verbundgruppen im Schuhhandel ANWR und SABU verständigten sich mit dem Bundesverband der Schuh- und Lederwarenindustrie HDS/L sowie den Warenwirtschaftsanbietern Etos und der Brandt Retail-Gruppe auf eine gemeinsame Strategie. Mit den Leistungsbausteinen Produkt-Content-Daten, Bildmaterial, Bestands- und Verkaufsdaten können auf dieser Infrastrukturplattform der Branche verschiedene Produkte wie Warentrading und Digital Signage angeboten werden. Branchenvertreter sprechen zu Recht von einem Meilenstein. Damit ist ein Werkzeug geschaffen worden, womit auch der innerstädtische Schuhhandel digital im Wettbewerb bestehen kann. 

Ausblick 

Die Corona-Pandemie verändert die Schuhbranche auf dramatischste Weise in unglaublicher Geschwindigkeit. Das Coronavirus hat sich von einem Angebotsschock in den ersten zwei Monaten des Jahres zum einem Nachfrageschock ungekannten Ausmaßes entwickelt. Die plötzliche Schließung der Verkaufsstellen des stationären Fachhandels hat von einem Tag auf den anderen diesen Absatzkanal versperrt. Auch nach Ende des Shutdowns prägt die Unsicherheit das Geschäft und erlaubt nur ein Fahren auf Sicht. Es ist zu hoffen, dass die allmähliche Aufhebung der coronavirusbedingten Beschränkungen zur Erholung der Wirtschaft beitragen wird. Aus unserer Sicht wird das Konjunkturpaket helfen, jedoch ist für eine langfristige Erholung ein Belastungsmoratorium auf allen politischen und administrativen Ebenen notwendig. Wir sind darüber verwundert, dass Teile der Bundesregierung der Ansicht sind, man müsse jetzt ein sogenanntes Lieferkettengesetz vorantreiben. Es stellt sich die Frage, ob den handelnden Akteuren der Ernst der Lage in der Industrie bewusst ist. Der Konsum in Deutschland ist vom Wohl des verarbeitenden Gewerbes abhängig, weshalb die Anstrengungen in der Industrie- und Wirtschaftspolitik fortgesetzt werden müssen. 

Die weitere Entwicklung der Schuhindustrie ist nicht vorherzusehen. Dies ist abhängig von der Dauer der Pandemie, weiteren möglichen Maßnahmen und deren Auswirkungen auf die Branche. Aufgrund dieser Unsicherheit ist eine Prognose nicht möglich. Wir hoffen, dass die Konsumentenlaune sich schnell erholt und so Impulse für sowohl den Fachhandel als auch die Schuhindustrie ermöglicht.

PRESSEINFO

HDS/L

2 september 2020